Mauretanien in 48 Stunden
Es ist Donnerstag der 25.01.18, die Uhr auf unserem Tacho zeigt 8:34 Uhr und in meinem Kopf tönt wie eine Kampfansage „Auf nach Mauretanien!“. Knapp die Hälfte unserer ersten großen Hürde haben wir schon geschafft. Gestern haben wir bereits 650 Kilometer durch die Westsahara hinter uns gebracht.
Als wir noch tief in der Reiseplanung steckten, am Küchentisch in unserer Wahlheimat Spanien, grauste es uns schon vor der Durchquerung der Westsahara und dem ja so fürchterlichen Mauretanien. Hunderte Kilometer lang kein Ort, keine Werkstatt, keine Tankstelle – was wäre nur, wenn wir eine Panne hätten? Tosende Sandstürme, weit und breit nur Einöde, keine Versorgungsmöglichkeiten und alle hundert Meter korrupte Polizisten, die nur darauf warten, dir das Geld aus der Tasche zu ziehen. Von der Grenze ganz zu schweigen. Dies und noch viele weitere Horrorszenarien bekamen wir zu hören, wenn wir erzählten, dass wir uns aufmachen, mit unserem dreißig Jahre alten Mercedes LKW nach Kapstadt zu fahren. Dementsprechend grummelte es in unseren Bäuchen an diesem besagten Morgen.
Der Plan stand fest: Möglichst früh aufstehen, viele Kilometer reißen und vor Sonnenuntergang einen sicheren und windgeschützten Stellplatz für die Nacht finden. Zwei Übernachtungen in der Westsahara und weitere zwei Übernachtungen in Mauretanien hatten wir für diese Etappe angesetzt. Schon einige Tage zuvor fuhr ein kleiner roter Banner von rechts nach links in meinem Unterbewusstsein hin und her und trug die Aufschrift: „FAHREN, FAHREN, FAHREN“. Ich sagte mir, dass ich drei Kreuze machen werde, wenn diese Etappe geschafft ist. Am meisten Respekt hatte ich vor den Straßen. Zwar bin ich stolze Besitzerin eines LKW-Führerscheins, aber mal eben zehn Tonnen über tausende von Schlaglöchern zu manövrieren ist eben doch nicht so ganz ohne.
Wir waren bereits eine Nacht im Plus, denn, sieh‘ an, die Straßen in der Westsahara waren zwar meist schmal, aber durchaus gut befahrbar, sodass wir unsere angesetzte Reisegeschwindigkeit von 75 Stundenkilometern problemlos einhalten konnten. Mein Herz rutschte lediglich kurzzeitig in die Hose, wenn ein Reisebus oder ein viel zu überladener Heu-Transporter, der in einem Tempo unterwegs war, als wenn er gleich abheben wollte, direkt vor einer Kurve zum Überholmanöver ansetzte. Aber, toi toi toi, bis jetzt ist alles gut gegangen und irgendwie groovt man sich allmählich ein in die wilde marokkanische Fahrweise ein. Neben der Bremse und dem Gaspedal hat nun auch die Hupe obersten Stellenwert. Je weiter wir gen Süden kommen jedoch, desto weniger LKWs kommen uns entgegen, nur alle zig Kilometer mal ein Auto und auch die Reisebusse lassen sich nicht mehr blicken. Von unseren 100 vorbereiteten Fiches haben wir, wenn es hoch kommt, gerade mal 10 verteilt, sodass wir gut und gerne noch weitere 90 Polizeiposten mit unseren Daten versorgen können.
Unsere zwei Kühlschränke sind gut gefüllt mit allerlei Obst und Gemüse, unser Keller, so nennen wir den Stauraum unter unserer Sitzbank, platzt fast aus allen Nähten und unser Wassertank zeigt auch noch gute 90% an. Heute wollen wir nur noch einmal volltanken, bevor wir die Grenze passieren. Zwischen 80 und 85 Cent kostet hier der Diesel – die Zeiten, zu denen man für 30 Cent tanken konnte, sind wohl schon länger vorbei, aber billiger als in Mauretanien, so wurde es uns gesagt, ist es allemal.
Es sind noch 150 Kilometer bis zur Grenze. Übernachtet haben wir in Barbas direkt neben der Schule. Dort standen wir windgeschützt und in dem Tante-Emma-Laden nebenan, konnten wir noch ein paar Gürkchen und Tomaten und ein bisschen Nervennahrung für die Fahrt einkaufen. So waren wir nun startbereit für Tag zwei unseres Fahr-Marathons. Eine Stunde Sport im Schein der Straßenlaternen, es war noch ziemlich dunkel heute Morgen um 6:00 Uhr, hatte ich schon hinter mir und so setzte ich mich energiegeladen als Erste hinter das Steuer. Schnell erreichten wir wieder unsere gemütliche Reisegeschwindigkeit und so vergingen die Kilometer wie im Flug.
Der Tacho zeigte an, dass wir bereits 135 Kilometer heute Morgen zurück gelegt haben und so spürte ich wieder das unangenehme Bauchgrummeln, denn ich wollte in keinem Falle unser rollendes Zuhause über die Grenze schaukeln. Nee, nee, bei den schwierigen Passagen muss Alex ran, dafür habe ich die besseren Navigationsfähigkeiten – so gleicht sich das aus. Und, ein Glück, da kam auch schon eine Tankstelle, bei der wir unseren Truck mit Frühstück versorgen konnten und einen Fahrerwechsel anstellten. Keine 500 Meter weiter sahen wir auch schon die LKWs in Reih und Glied stehen und so stellten wir uns hinten an. Neugierig stiegen wir aus und liefen nach vorne zum Grenztor. „Warum rollt denn hier nichts, schlafen die Grenzbeamten etwa noch? Oh nein, da steht einer in Uniform!“ Nicht lang gefackelt, stürzten wir auf ihn zu, begrüßten ihn mit Handschlag, so wie sich das in Afrika gehört, kurzer Smalltalk und dann die Info, dass wir mit unserem Wohnmobil hier sind. Selbstverständlich verschwiegen wir, dass es sich dabei um einen Laster handelt, der 10 Tonnen wiegt und eigentlich das gleiche Format hat, wie all die anderen 30 LKWs, die hier bereits in der Schlange stehen. Das hat gesessen. Er bittet uns die dritte, freie (!) Spur zu nehmen und direkt vorzufahren. Schnell noch einen Ausreise-Wisch mit Name, Adresse, Geburtsdatum, etc. ausgefüllt, den wir vom Beamten in die Hand gedrückt bekommen haben, bringen wir unsere Stollenreifen ins Rollen und fahren vor. Er winkt uns durch, wir nehmen die rechte Spur und vorne am Eck winkt uns schon der nächste in Uniform zu. Wir sprechen kein Wort Französisch, keiner kann hier wirklich Englisch und doch funktioniert die Kommunikation nahezu ausgezeichnet. Anscheinend haben wir ein Schild auf der Stirn kleben „Bitte, hilf uns!“, denn irgendwie werden wir wie am Laufband von all den Angestellten von einer Station zur anderen geleitet. Durch den Auto-Scanner durch, hier ein Stempel kassiert, da noch irgendein Papier ausgefüllt, noch einen weiteren Stempel und innerhalb von einer Stunde und vielleicht einem grauen Haar mehr auf dem Kopf sind wir durch. Ok, das wäre schon mal geschafft, aber nun kommt ja das schlimmste erst noch: Die Durchquerung des sogenannten Niemandslandes. Uuuuuuhhhh!
In jedem Reiseführer steht, verlassen sie in keinem Fall die Piste, denn rechts und links sei alles vermint, schließen sie sich am besten einem einheimischen Fahrzeug an, da die Spuren schwer zu erkennen. Nun ja, rechts und links stehen tatsächlich einige Autofracks, wir bezweifeln jedoch, dass diese tatsächlich in die Luft gesprengt wurden. Sie sehen eher verlassen, ausgeschlachtet und von der Sonne gebrutzelt aus, dennoch haben wir selbstverständlich nicht vor, die Piste zu verlassen. Dies ist aber auch nicht schwierig, denn die Spuren, es verlaufen etwa fünf Pisten nebeneinander, sind gut zu erkennen, zudem herrscht reger Verkehr und sogar Fußgänger laufen umher. Also alles halb so wild.
Irgendwo im Nirgendwo halten wir an, um uns zu stärken. Alex begeht den großen Fehler und öffnet das Dachfenster in unserem Wohnkoffer. Eine Windböe und alles ist voll mit Sand. Ich hasse Sand und vor allem, wenn er sich an meinem Körper, auf meinem Essen oder in meinem Bett befindet. Krise! Dann schleppt er auch noch irgendwelche Kamelknochen an. Nee! Die Stimmung ist im Keller. Ich bin außer mir, bekomme einen Heulkrampf und die Stimmung will sich auch bis zum Abend nicht mehr so richtig erholen. Stillschweigend bringen wir so nun die nächsten 300 Kilometer hinter uns.
Mit dem letzten Licht der Sonne gelangen wir über eine Piste zu einem kleinen Fischerdorf mit dem Namen „El Mhaijrat“ ans Meer. Auf der Suche nach einem guten Stellplatz rattern wir unbeabsichtigt mit unserem Mercedes einmal quer durch das Dorf. Mist, das Örtchen ist doch länger als gedacht und die Piste, welche unser Navi anzeigt, existiert auch nicht. Ok, wir drehen wieder um, nochmal vorbei an allen Dorfbewohnern, die uns verständlicherweise mit offenen Mündern anstarren, fahren wir mit angehaltenem Atem, es stinkt bestialisch nach Fisch, zurück an den Ortseingang und finden auch schnell ein nettes Plätzchen etwas abseits und vor allem außerhalb der Reichweite des Fischgestanks. Wir steigen aus und sinken sofort im tiefen Sand ein. Ob wir da wohl morgen wieder rauskommen? Tiefe Spuren haben wir durch den Sand gezogen. Egal, darüber machen wir uns morgen Gedanken. Jetzt wollen wir nur noch einen schönen Salat und unser Bett. Vorher gibt es noch einen kleinen Erkundungsspaziergang am Strand und die miese Stimmung von heute Mittag weht mit der Meeresbrise davon. Bei einem kleinen Workout noch vor dem Abendessen haben wir dann auch noch die letzte schlechte Stimmung ausgeschwitzt und so setzen wir uns versöhnt an den Essenstisch und fallen danach müde aber zufrieden ins Bett.
Bilanz des ersten Tages: Mauretanien ist windig und heiß, die wenigen Menschen sind zurückhaltend, die Straßen sind akzeptabel, Polizeikontrollen gibt es weniger als in der Westsahara und auch sonst ist alles vollkommen harmlos.
Zweiter Tag im Wüstenland: Der Wecker klingelt wieder um sechs Uhr, draußen ist es noch ziemlich dunkel, ich schlüpfe in meine Sportklamotten und hüpfe am Strand umher. Während dessen beobachte ich, wie die Fischer mit ihren bunt bemalten Booten ablegen, hunderte von Möwen fliegen über meinen Kopf hinweg und eine große Gruppe von Pelikanen landet direkt vor mir im Wasser. Mauretanien fängt an, mir sympathisch zu werden.
Heute lassen wir es etwas ruhiger angehen. Wir liegen gut in der Zeit und somit gönnen wir uns noch einen kleinen Strandspaziergang vor der Abfahrt. Um kurz nach neun schmeißen wir den Motor an und lassen unsere Kameradrohne nebenher fliegen, um eine kleine Offroad-Strecke zu filmen. Wieder bei der Wellblech-Piste von gestern Abend angelangt, lassen wir die Drohne landen und schalten nun einen Gang höher, um jetzt schnell zur Straße zu gelangen.
Meine Güte rumpelt das! Hoffentlich bleibt unser Zuhause heil. Die Piste zweigt sich und wir entscheiden uns, für die rechte Spur, da diese uns kürzer erscheint. Ätsch bätsch!! Da ist es auch schon passiert. Der Wind hat kleine Sandhügel auf den Weg geweht. Über die ersten kommen wir noch gut drüber, doch dann kommt ein ganz schön großer und… wir stecken fest. Ich zücke die Kamera und Alex die Schippe – sowas nennt man Arbeitsteilung 😉 Alles halb so wild: kurz gebuddelt, einmal zurückgesetzt, Allrad eingeschaltet und mit Schwung drüber – voila! Man gut, dass wir schon ein kleines Offroad-Training im Erg Chebbi genossen haben. So wissen wir, was zu tun ist und es kann schnell wieder weitergehen.
Heutiges Ziel ist der Nationalpark Diawling ganz im Süden, das sind knapp 400 Kilometer – sollte gut zu schaffen sein. Heute übernimmt Alex die erste Fahrzeit. Darüber bin ich ganz glücklich, denn wir müssen Mauretaniens Hauptstadt Nouakchott durchqueren. Ein Drumherum gibt es nicht, also müssen wir mitten durch. Ganz überraschend empfängt uns etwa 30 Kilometer vor dem Stadteingang eine niegelnagelneue Autobahn. Auf sechs Spuren düsen wir in die City und werden mal wieder von hunderten von Straßenlaternen begrüßt. Entweder ist das eine Verschwörung oder es herrscht ein heimlicher Wettstreit zwischen den Bürgermeistern getreu dem Motto, wer die meisten Laternen setzt, regiert die schönste Stadt, oder so… Das war schon in Marokko so.
Der moderne Schein verfliegt schnell und ehe wir uns versehen sind wir schon mitten drin im Hauptstadt-Chaos. Fährt man durch Mauretanien, könnte man meinen, das Land sei ausgestorben, doch kommt man nach Nouakchott, so erhält man den Eindruck, man wäre in einem riesen Wespennest gelandet, das einzige einer ganzen Nation. Mit dem Unterschied, dass die Bewohner dieser Art von Urbanisation zu Fuß, mit dem Roller, dem Eselkarren, dem Bus, einem Rundhauber, einem Landy oder einer eigentlich nicht mehr fahrtüchtigen Schrottkarre unterwegs sind. Dazwischen tummeln sich Ziegen, Hunde, Schafe, Esel, Katzen, Kühe und Kamele. Der Geruch wechselt an jeder Straßenecke und variiert zwischen gerade noch erträglich bis zur Erstickungsgefahr, die Straßen scheinen immer enger zu werden, doch drücken sich rechts und links noch mehr Gefährte aller Art hinein, bei jedem Stromkabel halten wir die Luft an, weil wir mit unseren 3,80 Meter bedrohlich nah kommen und das ständige Gehupe trägt auch nicht gerade zur Senkung der Anspannung bei. Da hilft nur tief durchatmen, ja nicht den Abstand zum Vordermann größer werden lassen und mit einsteigen in das Hupkonzert. Zum Glück sind noch ein paar Nüsse vom Frühstück übrig geblieben, denn es geht auf die zwei Uhr zu, Mittagessenszeit, und Alex wird unerträglich, wenn ihm die Unterzuckerung droht.
Aktuelle Reisegeschwindigkeit: 3 km/h. Zu Fuß ginge es schneller. Nach etwa eineinhalb Stunden haben wir uns soweit vorgepirscht, dass allmählich der Verkehr wieder rollt und rechts und links die Häuser kleiner werden. Doch das sollte für heute noch nicht genug sein. Direkt hinter der Stadt beginnen 200 Kilometer Straße, die diesen Namen nicht verdient haben. Es wechseln sich Wellblech-Pisten, Teerstücke mit unzähligen brutalen Schlaglöchern und einigermaßen befahrbare Schotterpisten ab. Höchste Konzentration ist gefragt und die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt nun bei maximal 30 Kilometern pro Stunde. Im Schneckentempo nähern wir uns unserem heutigen Tagesziel. Wir träumen schon von dem morgigen Bier in der legendären Zebrabar bei Saint Louis. Ach, wenn wir doch schon im Senegal wären…
Aaahh, Achtung! Polizeikontrolle! Das hatten wir schon ganz vergessen, denn die letzte Kontrolle war schon Ewigkeiten her. Von wegen alle hundert Meter ein Beamter. Schnell abgebremst, Fiche rausgeholt und auf die Frage „un cadeu?“ kurz und knapp geantwortet „no francais“ und so werden wir mal wieder durch gewunken. Manchmal ist es echt ganz gut, wenn man die Sprache nicht kann.
Langsam sinkt die Sonne am Himmel herab und taucht die Dünen am Straßenrand in ein warmes Orange. Der Wind lässt nach und die Stimmung in unserer Fahrerkabine wird ganz ruhig. Wir sind beide ziemlich geschafft vom vielen Fahren aber freuen uns auch schon sehr, dem Senegal immer näher zu kommen. Kilometer um Kilometer wird es nun auch wieder grüner, die kleinen Büsche werden zu Sträuchern und hier und da stehen nun auch mal ein paar Bäume im Sand.
„In 100 Metern bitte rechts abbiegen“, weist unser Navi uns an. Aber da ist nichts. Stattdessen kommt ein paar Meter weiter nochmal eine Polizeikontrolle. Gleiches Spiel wie immer doch fragt dieser in Jeans und T-Shirt gekleideter Halboffizieller, wohin wir fahren. „Nach Diama“, antworten wir, worauf er sofort die Antwort gibt, dass es keinen Weg dorthin gebe. Unser Formular vom Zoll sollen wir ihm geben und schon ist er verschwunden. Wir warten. Fünf Minuten später kommt er zurück und fordert uns auf, zum nächsten Kontrollposten zu fahren, da würden wir auch unser Papier wiederbekommen. Denkste! Natürlich fahren wir nicht ohne unseren Wisch weiter. Kurze Diskussion und wir haben das Ding wieder. Dieses Spiel kennen wir bereits. Schon kurz hinter der Mauretanischen Grenze versorgte uns ein Polizeibeamter mit einer Telefonnummer. Diese sei von seinem Cousin oder Onkel oder Neffen oder ich weiß nicht was und den sollen wir kontaktieren, wenn wir an der Grenze zum Senegal sind. Und natürlich sollen wir über Rosso fahren und in keinem Fall über Diama. Das erzählen dir alle. Doch von anderen Reisenden wissen wir, dass Rosso auf der Liste der nervigsten Grenzübergänge Westafrikas ganz oben mitmischt und dass der Eintritt in den Senegal am Damm von Diama deutlich entspannter abläuft.
So nehmen wir nun wieder Fahrt auf und tatsächlich kommt nach einem Kilometer ein Abzweig nach rechts Richtung Keur Massene und mit der Ausschilderung zum Nationalpark. Und, oh Wunder, die Straße ist richtig gut, geteert und KEINE Schlaglöcher. Ein Genuss nach den letzten 200 Kilometern. So rollen wir gemütlich dem Sonnenuntergang entgegen und nach 30 Kilometern, direkt hinter dem Dorf Keur Massene geht es rechts ab in den Nationalpark. An der Schranke steht ein freundlicher Mann, der uns direkt hineinlässt und eine gute Fahrt wünscht.
Wir wollen nur noch ein gemütliches Plätzchen für die Nacht und so entscheiden wir, auf der recht gut befahrbaren Piste bis zur nächsten Kurve zu fahren und dann ein kleines Stück abseits vom Weg „unsere Zelte aufzuschlagen“. Aber was war das? Da ist doch tatsächlich eine kleine Rotte von Warzenschweinen quer über den Weg gedüst. So waren wir in Nullkommanichts wieder hellwach. Wildlife-feeling!! Die Kurve ist erreicht, wir fahren rechts vom Weg herunter und als wir gerade aussteigen wollen, um den Untergrund zu testen, huscht ein Schakal direkt vor uns vorbei. Yeah baby! Wir finden ein gut geschütztes Plätzchen und beschließen noch eine kleine Sporteinheit vor dem Abendessen einzulegen. Man glaubt es kaum, aber da lässt sich auch schon Tier Nummer drei blicken. Ich konnte es nicht mehr schnell genug identifizieren, Alex tippt auf Lux. Wie dem auch sei, ich beschließe heute Nacht die Stirnlampe mitzunehmen, wenn ich den nächsten Busch aufsuche, denn unser Reiseführer schreibt, dass der Diawling Nationalpark unter anderem auch Krokodile zu seinen Bewohnern zählt.
Draußen hört man nur noch das Quaken von ein paar Kröten und ab und zu dröhnt ein alter, schwer beladener Rundhauber durch die nächtliche Stille. Wir sind so k.o., dass wir sofort einschlummern.
Am nächsten Morgen klingelt mein Wecker um 6:30 Uhr. Leise öffne ich die Tür in der Hoffnung, vielleicht noch das ein oder andere Tier beim Frühstück zu entdecken. Vergebens. Stattdessen lege ich mir meine Sportmatte bereit und gebe für eine Stunde Vollpower. Ein örtlicher Bauer stapft während dessen an mir vorbei und zwei kleine Kinder passieren auf dem Weg zur Schule. Alle drei sehen mir erstaunt zu, wie ich schwitzend meine Arme und Beine rhythmisch in die Luft werfe – die denken wahrscheinlich auch „diese verrückten Weißen“. Was soll’s, die merkwürdigen Blicke sind wir gewohnt und ein Lächeln bewirkt meist ein freudiges Winken.
Ausgepowert und frisch geduscht geht es dann los Richtung senegalesische Grenze. Es liegen noch 40 Kilometer durch den Nationalpark vor uns. Wir rechnen mit knapp zwei Stunden und tatsächlich liegt unsere Durchschnittsgeschwindigkeit bei 20 km/h. Die Piste ist mal schlechter und mal besser, im Großen und Ganzen aber gut befahrbar. Zudem sind wir so damit beschäftigt, aus allen Seiten gleichzeitig aus dem Fenster zu gucken: Rechts steht ein riesen Schwarm strahlend pinker Flamingos in der Lagune, vorne sprintet mal wieder eine Stachelschwein-Familie über die Straße und links sitzen zwei Alligatoren am Wegesrand. Echt der Hammer!
So merken wir gar nicht, dass wir schon am mauretanischen Grenzposten angekommen sind. Kann es sein, dass wir die einzigen sind, die gerade die Grenze passieren wollen? Ja kann es. Kein Vergleich zu dem wilden Treiben an der Grenze bei Rosso, welches wir aus Erzählungen kennen.
Ein junger Typ mit Käppi kommt auf uns zugeschlendert. Wir identifizieren ihn als unseren heutigen Schleuser. Richtig getippt. Er bittet uns ins erste Office mitzukommen. Als wenn die Jungs an der Grenze schon auf uns gewartet hätten, stehen zwei Stühle bereit. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Hiwi teilt unser Schleuser uns mit, dass der Chef noch nicht da ist. Soso, hier im Süden ticken die Uhren eben ein bischen anders und so lehnen wir uns zurück, plaudern ein bischen mit den Jungs und warten… bis ein großer Mann in einem hellblauen Seidengewand und fablich passender Kopfbedeckung das Gebäude betritt. Er bittet uns, direkt in sein Büro einzutreten. Unter seinem Schreibtisch zieht er ein Buch hervor, welches die Maße eines Schrankkoffers einnimmt. Per Hand werden all unsere Daten eingetragen und nachdem wir die geforderten 10 Euro auf den Tisch legen, geht es ins Nebenzimmer, wo der Ausreisestempel in unseren Pass gedruckt wird. Und das war es auch schon. Der Schleuser von vorhin hat wohl heute auch nicht so richtig Bock und lässt sich nicht mehr blicken. Naja, das hätten wir ja nun auch allein geschafft.
Weiter geht es über eine Brücke zum anderen Ufer. Bevor wir doch senegalesischen Boden befahren dürfen, hält uns ein Mann in beiger uniform an und will mal wieder Kohle. Zunächst kapieren wir überhaupt nicht, warum er Geld von uns möchte doch nach ein paar Minuten wildem Gestikulieren, verstehen wir, dass dies doch tatsächlich die Brückengebühr ist. Umgerechnet 8 Euro sollen wir ihm geben, damit er die Brücke öffnet. Wir besitzen jedoch noch keine Landeswährung, sodass wir ihm ein paar Dirham aus Marokko, zwei Franken, die noch in unserem Portemonnaie herum lungerten, einen Dollar und einen Euro in die Hand drücken. Damit gibt er sich zufrieden und öffnet die Sperre.
Komisch, es kommt gar keiner angelaufen, der uns behilflich sein möchte. Umso besser. Zielgerichtet peilen wir das erste Gebäude an. Zu. Wir drehen uns um und gehen zum gegenüberliegenden Container. Hier sind wir richtig. Pässe und Impfausweise, bitte. Fingerabdruck, Foto, 10 Euro, fertig. Rüber zum nächsten Bretterverschlag. Dort sollen wir unser Carnet vorzeigen. Der junge Mann blättert das Carnet von vorne nach hinten durch, von hinten nach vorne, dreht es nochmal um, schaut nochmal rein und sagt „ten euros“. „What?????“ Ist das hier das Land der 10 Euronen? Ok, ruhig bleiben. In einem ziemlich schlecht zu verstehenden Englisch gibt er uns zu verstehen, dass er nicht befugt ist, das Carnet abzustempeln. Stattdessen müssen wir binnen zwei Tagen nach Dakar auf das Zollamt und unser Carnet dort abstempeln lassen. Dieses Prozedere haben wir schon von anderen Afrikareisenden geschildert bekommen, also wissen wir, was zu tun ist. Wir versuchen zu handeln aber er beharrt auf die 10 Euro und so bekommt er sie auch. Unsere schöne, selbst ausgestellte, gelbe Versicherungskarte wollte mal wieder niemand sehen.
Als wir nun wieder in unseren Truck steigen wollen, kommt doch tatsächlich noch ein Verkäufer angesprungen. T-Shirt, Handykarte, Zigaretten, Geld – bei ihm bekäme man alles. Wir lehnen dankend ab und sagen, dass wir schon all unser Geld hier an der Grenze abgeben mussten. Er drückt uns noch eine kurze Hymne über sein Land rein, dass die Menschen so offen sind, Frieden herrscht und wir herzlich willkommen sind. Wir danken ihm und sind gespannt, ob sich seine Prophezeiungen bewahrheiten werden.
Es sind noch 20 Kilometer bis nach Saint Louis und weitere 20 Kilometer bis zur Zebra Bar. Unsere Sehnsucht nach einem kühlen Bier ist nach der Alkohol-Abstinenz in Mauretanien so groß, dass wir Saint Louis – vorerst – rechts liegen lassen und uns auf geradem Weg zu DEM Campingplatz der Afrikafahrer aufmachen. Die Hauptstraße Richtung Süden, einmal rechts abgebogen, dann nochmal links auf die Sandpiste und am Ende des Weges sehen wir schon das gelb-schwarze Tor. Endlich!
Wir fahren auf den Hof, stellen den Truck ab und fühlen uns sofort wohl auf diesem von Palmen gesäumten, hübschen Campingplatz. Außer uns steht noch ein Wohnmobil eines südamerikanisch-schweizerischem Pärchen auf dem Gelände und in der Werkstatt schraubt ein Franke an seinem schönen Oldtimer Jeep. Wie sich später herausstellt, ist das Olli, der zwar mit Karlsruher Kennzeichen fährt, gebürtig aber ein Schwabe ist. Welch ein Zufall! Die nächsten Tage werden Alex und er nicht mehr aus dem schwätzen herauskommen.
Jetzt wird es aber Zeit! Magisch werden wir angezogen von der Theke im knalligen Zebralook. Selbstbedienung. Keine zwei Sekunden später lassen wir uns mit einem kühlen Bier in der Hand und einem lauten Seufzer auf die Bank fallen. Zisch!!!!!
3 Replies to “Mauretanien in 48 Stunden”
Hi Carlotta und Alex, gedanklich begleiten wir euch auf euren tollen Reise. Die schönen Momente, lustige Unterhaltung am Lagerfeuer, Fahrt durch den Erg Chebbi und und und… geben uns ein gutes Gefühl: „Ihr schafft das“. Wir wünschen euch weiterhin viiiieeel Spaß und wer weiß, man trifft sich immer 2X im Leben. In diesem Sinne alles Liebe aus dem kalten Stuttgart von Biggi&Hannes
Hallo ihr Lieben!
Danke für Euren lieben Zuspruch und genau, ein Wiedersehen kommt bestimmt einmal 🙂 Wo steht denn Euer schöner Hanomag gerade?
Na dann schicken wir Euch mal eine große Portion senegalesische Sonne nach Stuttgart, dass es auch bei Euch ein bisschen wärmer wird!!
Ich hab leider erst jetzt diesen tollen Blogartikel hier entdeckt und ihn direkt verschlungen!! Das ist so toll geschrieben, dass ich das Gefühl hatte, dabei gewesen zu sein!:))
Bin gespannt, was ich hier noch so entdecke…
Liebe Grüsse,
Cora