Das südliche Afrika – Teil I
WE GO WILD!
Nachdem uns Angola schon mit vielen tollen Eindrücken, herrlichen Stränden, freundlichen Begegnungen und vielseitiger Landschaft verwöhnt hat, reisen wir nun ganz gespannt nach Namibia ein. Alex kennt das weitläufige und artenreiche Land bereits, denn vor gut 10 Jahren besuchte er mehrmals seine Mutter, die hier eine Zeit lang gelebt hatte. Ich dagegen bin noch ein bisschen skeptisch. Mein Ding ist eher das Grüne, Wald, Wasserfälle, tropische Landschaft – alles das, was man mit Namibia so gar nicht verbindet. Aber ich bin offen und lasse mich überraschen.
Und das werde ich auch und zwar gleich am ersten Morgen. Wie jeden Tag starte ich mit einer ausgiebigen Laufrunde. Für mich übrigens mit die schönste Form, eine fremde Gegend zu erkunden. Und siehe da, ich bin kaum einen Kilometer gelaufen, da rennen schon fünf Schulkinder mit mir mit. In Schuluniform, in der einen Hand einen kleinen Beutel, in der anderen Hand einen kleinen Handbesen, der hier zum Schulequipment dazugehört, springen die Kids munter neben mir her. Doch es bleibt nicht bei den fünf. In der kommenden halben Stunde wächst die Zahl auf ganze 40 Kinder an. Verrückt! Alle strahlen und freuen sich, so ein Weißgesicht bei ihrer morgendlichen Sportroutine begleiten zu können. Und ich? ich strahle auch!
Gestern Abend ist es recht spät geworden. Nach einem herrlich entspannten Grenzübergang (Oshikango), bei dem wir zum ersten Mal, seit dem wir Europa verlassen haben, kein Visum benötigten, haben wir noch lange nach einem Schlafplatz gesucht. Es gibt zwar viel Land und auch viel freie Fläche, wo man einwandfrei parken könnte, doch es ist alles eingezäunt. Alles. Abgebogen in eine Seitenpiste haben wir nach ca. 7km endlich ein echtes freies Plätzchen gefunden. Doch was wir dabei nicht gemerkt haben, dass wir genau neben einer Schule stehen. Die war nämlich zu und ganz ruhig im Gegensatz zu heute Morgen. Das Reisen steckt doch immer wieder voller Überraschungen.
Nach einem schönen Früchtefrühstück machen wir uns auf zu unserem ersten Ziel: der Etosha Nationalpark. Während ich noch absoluter Safari-Neuling bin, kennt Alex die Salzpfanne natürlich schon. Ganz unbekümmert fahren wir auf schnurgeraden, perfekten Asphaltstraßen Richtung Ost-Gate. Angekommen parken wir erst einmal ab, denn durch das Tor kommen wir mit unserem großen Otto sowieso nicht. Seitlich gibt es ein Tor für Busse mit Reisegruppen. Wir laufen zum Pförtner, um uns dieses öffnen zu lassen. Pustekuchen! „Haben Sie eine Reservierung für eine Campsite?“, werden wir gefragt und schütteln den Kopf. „Dann kommen Sie auch nicht rein.“ Ja, das hat sich seit den letzten zehn Jahren wohl auch geändert. Während man damals noch freie Platzwahl genoss, muss man heute tatsächlich vorab reservieren, um überhaupt rein gelassen zu werden. Da haben wir wohl ein bisschen naiv gedacht. Aber die eine Tür bleibt zu und eine andere geht auf…
Und zwar was für eine! Auf der Suche nach Wlan, da wir noch keine örtliche Sim-Karte besitzen, fahren wir zu einem nahegelegenen Luxushotel. Zugegeben, wir kommen uns etwas fehl am Platz vor; um uns rum ältere, sehr vornehme englische Herrschaften in piek feinem Safari Outfit genüsslich auf der Terrasse sitzend und ihren Sundowner trinkend. Naja, wir fassen Selbstbewusstsein, indem wir uns sagen, wir sind eben Overlander und können auch in Shorts und T-Shirt wilde Tiere beobachten, ohne dafür Tarnkleidung und Safari-Hut zu benötigen. Erhobenen Hauptes stolzieren wir vorbei an Charles, Dorothee, Harrison und Co und bestellen uns ein Radler mit Wlan-Passwort. Das zischt! Doch fast kommt mir der Schaum zur Nase wieder raus, als ich mich beim Anblick des Buchungsplans verschlucke. Alle Camps sind ausgebucht, für Tage, Wochen. Und jetzt? Nicht verzagen, Johannes fragen. Johannes ist der sehr nette und äußerst hilfsbereite Hotelmanager, der sich uns geradezu aufopfernd annimmt. Wir bekommen schon Angst, dass die Telefondrähte durchglühen, so eisern fragt er tatsächlich bei jedem Camp nach einem freien Plätzchen. Mit Erfolg. Circa zwei Stunden und drei Radler später haben wir eine Reservierung für den morgigen Tag. Und wenn wir erst einmal drin sind, dann sollen wir einfach den nächsten Tag zu einem anderen Camp fahren und vor Ort nachfragen. Da kriegen wir bestimmt etwas, so Johannes.
Ein Problemchen gäbe es da allerdings noch. Wo schlafen wir heute Nacht? Die Zufahrtsstraße fällt raus, rechts und links von der Straße ist, natürlich, Zaun. Zurück fahren bis zur Hauptstraße wollen wir nicht, da wir ja morgen möglichst früh in den Park wollen. Also einmal tief durchgeatmet und ganz nebenbei den Johannes gefragt, ob er eine Idee hätte, wo wir heute Nacht abparken könnten. „One minute, please“ lautet die erste Antwort und nach drei Minuten Gespräch vermutlich mit dem Chef kommt Johannes mit einem breiten Grinsen wieder und sagt, ihr könnt bei uns stehen bleiben. Umsonst. Wir verkneifen uns einen Freudensprung und suchen uns nach einem großen Dankeschön ein nettes Plätzchen auf dem schönen Hotelparkplatz. Während wir uns einrichten, laufen Gazellen, Antilopen, Affen und kleine wieselähnliche Wesen um uns herum. Auf das mehrfach ausgesprochene Angebot hin, den Pool zu benutzen, schnappen wir uns die Handtücher und erfrischen uns im kühlen Nass. Ich tauche unter, schaue wie kleine Luftbläschen aufsteigen und überlege mit einem Schmunzeln auf den Lippen, dass ich nicht wissen will, was die britische Oberklasse hier wohl für eine Nacht hinblättert. Man darf ja auch mal Glück haben im Leben. Und wir wissen es zu schätzen. Natürlich hat der liebe Johannes von uns neben einem ganz herzlichen Dank auch ein großzügiges Trinkgeld bekommen.
So starten wir also am nächsten Morgen mit dem ersten Sonnenstrahl, der Frühsport wurde heute schon vor dem Sonnenaufgang erledigt, in den Park. Der Pförtner hat schon etwas verwundert geguckt, wie wir so schnell eine Reservierung hervorzaubern konnten. Begrüßt werden wir von einer Giraffe gleich zu Beginn und auch Frau Gazelle und Herr Zebra lassen nicht lange auf sich warten.
Die Vegetation wird lichter und wir erreichen die große Salzpfanne.
In der Ferne flimmert der Horizont. Und davor ein kleines graues Pünktchen, das immer größer zu werden scheint. Tatsächlich, ein Elefant! In irgendeinem schlauen Buch habe ich gelesen, dass Elefanten gerne auf ihren gewohnten Wegen stapfen und sogleich scanne ich seine Laufrichtung. Wenn er nicht gleich links abbiegt, müsste er genau auf uns zukommen. Und er tut es. Schnell lassen wir Otto noch ein paar Meter zurückrollen, denn sonst wären wir genau auf seiner Rennbahn. Und das, so das schlaue Buch, mögen die Dickhäuter gar nicht gerne. Wir halten den Atem an, er läuft genau vor uns vorbei. Abstand keine 60cm. Er blickt zu uns. Auge in Auge. Ich glaube, mein Herz setzt aus. Ein Wink mit den Ohren, einmal den Rüssel geschwungen, Blick nach vorne und das war sie, unsere erste Begegnung mit einem frei lebenden afrikanischen Elefanten – irre! Und jetzt weiß ich auch, was Alex meinte mit seiner Aussage, dass ihm bis jetzt auf der Reise die Viecher fehlen. Ab jetzt will ich nur noch wildlife!
Und einiges bekommen wir auch noch zu sehen. Die Bedingungen sind gut. Es ist November und nur noch die installierten Wasserlöcher erhalten die Trinkversorgung, sodass sich alle Tiere in dessen Nähe aufhalten.
Wir verbringen zwei aufregende Tage im Park und setzen dann unseren Weg fort Richtung Osten. Caprivizipfel heißt die Destination. Auf der Landkarte ein Strich, der seinen Namen und seine Berechtigung während der Kolonialzeit erhalten hat. Reichskanzler Leo von Caprivi verschaffte sich mit dieser zipfelförmigen Ausbuchtung Zugang zum Sambesi Fluss. 500 km geht es schnurgerade Richtung Osten und für uns Richtung Botswana. Zwischendurch machen wir noch einen kleinen Abstecher zum Namushasha Heritage Centre (-17.98372, 23.30529). Gefühlt mitten in der Pampa ist dort tatsächlich ein kleines Freilichtmuseum. Wer hier wohl hinkommt? Wir sind überrascht. Schon am Eingang klärt uns eine Infotafel sogar auf Deutsch auf und heißt uns herzlich willkommen. So treten wir ein und erhalten für umgerechnet knapp 5 Euro pro Person eine einstündige Tour, die uns das alltägliche Leben des Namushasha Stammes näher bringt. Und der junge Mann, der gerade noch den Eintritt kassiert hat, die zwei Damen, die am Maismehl produzieren waren und auch alle anderen stehen auf einmal in Stammeskleidung vor uns, stimmen einen Rhythmus an und fangen an zu tanzen. Eine super Show ganz für uns zwei alleine. Wir sind begeistert!
Wieder zurück auf der Hauptstraße scheffeln wir Kilometer, passieren eine Elefantenherde, die es sich im Schatten gemütlich gemacht hat und kommen zu unserem ersten vet checkpoint. Aussteigen und einmal in ein ausgetrocknetes Desinfektionsbecken trampeln. Dann kommt noch einer und sprüht unsere Reifen ein bisschen ein und das war es dann auch schon. Hier nimmt man es wohl nicht so genau. Aber wir haben einen scharfen Blick und entdecken einen Kontrolleur, der gerade ein orangenes, rundes Ding verspeist. Wir sind neugierig und fragen, wie die Frucht heißt. „Orange“ ist die Antwort, natürlich, wie auch sonst. Keine 5 km nach dem Stopp steht auch schon ein junges Mädchen am Straßenrand, die Orangen, also namibische Orangen, verkauft. Vollbremsung und drei gekauft. Eine köpfen wir noch an Ort und Stelle und sind ein bisschen verwundert über die Optik des Inneren. Erinnert an Gehirnmasse. Aber der Geschmack ist spitze, super fruchtig. Leider mit sehr vielen Kernen und so gestaltet sich das ganze mehr als etwas lutschbares anstatt als etwas essbares. Wieder was Neues kennen gelernt.
Endlich erreichen wir die Grenze Botswanas in Ngoma. Auch hier erfahren wir wieder ein ganz entspanntes bordercrossing ohne Visa-Prozedere. Und auch hier fällt die veterinary control mehr oder weniger penibel aus. Für die Nacht suchen wir uns ein schönes Plätzchen am Flussbett des Chobe Rivers. Vor uns grasen die Zebras in der Abendsonne. Später nach dem Abendessen gehen wir noch auf die Pirsch. Gar nicht weit entfernt scheint wohl eine Elefanten-Party zu steigen. Wildes Getröte ist zu hören, doch uns wird ein bisschen mulmig und wir sehen zu, dass wir schnell ins Bettchen kommen.
Am nächsten Morgen erleben wir dann, was echtes wildlife ist. Beim Joggen sehen wir Zebras, Affen, Gazellen, Antilopen und sogar drei Elefanten in der Ferne, frei. Kein Nationalpark, kein Zaun, niemand der dir sagt, hier darfst du hin und hier nicht. Eine leise Ahnung schleicht sich an, dass Botswana unsere neue Nummer 1 werden könnte auf der Hitliste der schönsten afrikanischen Länder.
Mit Bauchkribbeln beginnen wir die heutige Fahrt auf dem Weg zu einem Wasserloch, welches ein absoluter Geheimtipp sein soll. Auf perfekten Straßen rollen wir in Richtung Nata und halten Ausschau nach einem Rindergitter. Dieses soll wegweisend für unser heutiges Tagesziel sein. Bei einem kleinen Pipi-Stopp finden wir noch ein Elefantenskelett. Muss ein ganz schön großes Tier gewesen sein.
Endlich, da ist es, das Gitter und daneben ein Zaun. Nun heißt es rechts am Zaun entlang ca. 6 km über einen schmalen Sandweg. Luft raus lassen damit wir nicht stecken bleiben und Allrad einschalten. Danach geht’s rechts für circa weitere 3 km und dann ist es vor uns. Ein großes Wasserloch (-18.44023, 25.46927) und trotz der langen Trockenzeit noch halbwegs gut gefüllt. Wir beratschlagen gerade, wo wir am besten parken, da kommt auch schon eine Gruppe grauer Riesen angetrottet. Einen kurzen Moment sind sie verdutzt, was wir denn für ein gelber Riese sind. Doch nachdem sie wohl merken, dass von uns keine Gefahr ausgeht, lassen sie sich nicht beirren und trinken, grunzen, schlürfen, spritzen, wälzen und suhlen sich weiter im schlammigen Nass.
Als die Luft rein ist, suchen wir uns ein etwas sichtgeschütztes Plätzchen mit etwas Abstand zum Wasserloch, damit sich die Tiere nicht von uns gestört fühlen. Als wir gerade fertig sind mit einrichten, Stühle und Tisch aufbauen, Markise ausfahren, Außendusche einstecken usw., fängt der Boden unter unseren Füßen plötzlich an zu vibrieren. Was ist das für eine riesige Staubwolke dort links? Und plötzlich kommt in einem Affenzahn, Entschuldigung Büffelzahn, eine Herde von mehr als 100 Tieren angestürmt. Welch ein Spektakel. Das Wasserloch ist nun nicht mehr als solches zu erkennen, nur noch ein schwarzes Gewusel in dem sich sogar kleiner Nachwuchs befindet. Als wäre es eine fata morgana gewesen, rennen die Büffel auf ein für uns unsichtbares Zeichen hin, mit einem mal alle so schnell weg, wie sie gekommen waren.
Am Abend machen wir es uns dann auf unserer „Dachterrasse“ bequem. Zwei Stühle aufs Dach, Fernglas, Stirnlampen, Fotokamera, Videokamera, Nachtsichtgerät und last but not least ein Sundowner-Bier. Fertig ist das Kino. Und der Film lässt auch nicht lange auf sich warten. Nach und nach kriecht alles aus dem Gebüsch, was hier so lebt, um den Durst vom Tag zu stillen.
Kurz bevor es so richtig dunkel wird, ringe ich mich dazu durch, meinen Kinosessel zu verlassen und auch noch schnell eine kühle Abkühlung unter unserer Außendusche zu nehmen. Alex, der seine Duschung schon vorhin durchgeführt hat, bleibt oben auf dem Dach sitzen und mimt den Wachposten. Ich genieße, wie das lauwarme Wasser mir den Staub vom Körper wäscht und bin gerade am einschäumen als Alex völlig fasziniert flüstert „Da ist ein Leopard!“. Bei mir hingegen ist es aus mit dem Genuss und ich springe nackt und eingeschäumt wie von der Tarantel gestochen in den Truck. Ja und jetzt? Ich schaue an mir herunter und denke nur, so kann ich mich nicht abtrocknen, so alles voller Schaum. Somit erkläre ich Alex zu meinem Bodyguard und trichtere ihm ein, dass er die ganze Zeit das Gebüsch hinter mir beobachten muss und ja nicht blinzeln darf! In Windeseile bin ich fertig geduscht und dann doch ziemlich glücklich mit frischen Klamotten wieder meine sichere Position auf dem Dach einnehmen zu können. Mutprobe bestanden!
Wir verweilen noch zwei weitere Tage am Wasserloch, bis wir weiter Richtung Nata und dann gen Westen Richtung Maun fahren. Die Straße ist top, die Landschaft ein bisschen eintönig, wenig Bäume, die Sonne scheint und es ist ganz schön heiß. Und dann passiert es. Ein lautes Zischen und binnen Sekunden ist unser rechter Hinterreifen platt. Kein Baum, kein Schatten und auf dieser rennbahnähnlichen Straße schießen die Fahrzeuge nur so an uns vorbei. In Botswana ist Linksverkehr angesagt, somit befinden wir uns mit dem rechten Rad auf der Mitte der Straße. Als erstes also Warndreieck aufstellen und Warnweste anziehen. Die Einheimischen weisen immer mit abgebrochenen Ästen auf der Straße liegend auf eine Panne hin. Wir machen es heute mal gescheit, zumindest versuchen wir das. Während ich mit den Muttern des platten Rads kämpfe, liegt Alex auf dem kochenden Asphalt und löst das Ersatzrad. Es dauert ein bisschen, aber nach einer Weile sind wir schweißgebadet und beide Räder locker. Das Ersatzrad ist recht fix montiert, doch wie bekommen wir nun das platte Rad wieder unten drunter? In der Theorie gibt es eine Vorrichtung zum Kurbeln. In der Praxis ist die nicht zu verwenden, weil eine Außenbox die Kurbel behindert. Da das aber nicht unsere erste Panne ist, schmeißen wir unsere Gehirnzellen an und überlegen eisern, wie wir das in Ouagadougou nochmal gemacht haben. Da kam tatsächlich ein Engel in Form eines jungen Mannes in ölverschmierten Klamotten auf einem Moped sitzend vorbei, der uns geholfen hat. Dieser Engel lässt heute auf sich warten und so müssen wir das Ding alleine schaukeln. Mit einem improvisiertem Lift aus Seil und Eisenstange schafft es Alex tatsächlich das Rad festzubekommen. Er ist mein Held des Tages! Auch wenn er eh mein Held schlechthin ist.
Wir können weiter und nach zwei Fahrtagen und der Reparatur unseres platten Reifens erreichen wir den Makgadikgadi Nationalpark. Wir wollen zum Botemi River, der die Westgrenze des Parks bildet und bekannt dafür ist, dass Elefanten ihn als Swimmingpool benutzen. Doch uns fällt die Kinnlade runter, als wir hören, was wir für Otto zahlen sollen. Ein normales Auto bis 3,5 Tonnen kostet umgerechnet 5 Euro. Otto mit seinen 10 Tonnen kostet 80 Euro. Nee, das machen wir nicht! Wir probieren es noch mit ein wenig Augenzwinkern, doch merken wir schnell, dass wir damit hier nicht weiterkommen. Na dann eben nicht. Oder doch?
Nur ein paar Kilometer nach der Zufahrt zum Gate erreichen wir wieder einmal ein Rindergitter. Dies ist die Grenze vom Park, zu erkennen an dem Zaun, der links und rechts ins Nichts führt. Neben dem Zaun sind Fahrspuren zu erkennen, allerdings ist der Untergrund ganz schön sandig. Ich ziehe geschwind meine Laufschuhe an und renne einige hundert Meter am Zaun entlang, um die Lage zu peilen. Unser Expeditions-Gen ist geweckt. Luft raus, Allrad an und los. Der Zaun verliert nach wenigen Metern seinen Nutzen als solches, denn er wurde bereits von den Elefanten niedergetrampelt. Bis jetzt säumen nur Kühe und Esel unseren Weg, doch laut Navi fahren wir geradewegs auf den Fluss zu. Wir haben Glück und den richtigen Riecher gehabt. Nach geschätzten 8-10 km erreichen wir den Fluss und eine herrliche offene Stelle (wildlife wildcamp, iOverlander). Hier bleiben wir.
Welch ein Glück wir haben. Während sich die Parkbesucher den Blick auf den Fluss mit allen anderen Touristen teilen müssen, da es nur ein Camp im ganzen Park gibt, haben wir das ganze Areal für uns alleine. Also nicht ganz, denn wir kriegen Besuch von etlichen Elefanten, Giraffen, einem Leopard bei Nacht, Hippos, Hyänen und natürlich Kühen und Eseln. Ein Traum!
Wenn da nur unser Reifen nicht wäre. Der ist nämlich schon wieder platt. Wir müssen uns irgendetwas eingefahren haben. Das tut der Stimmung aber keinen Abbruch und wir genießen diesen Ort hier für insgesamt drei wunderschöne Tage.
Unsere nächste Destination heißt Mababe. Dort machen wir Stopp an einem Wasserloch, wo wir von fünf ordentlichen Kalibern begrüßt werden. Etwas skeptisch gucken uns die Büffel an, doch scheint ihnen das Grasen wichtiger als wir zu sein. Wir wollen gerade zu einem kleinen Erkundungsgang aufbrechen, als wieder einmal ein „tschschsch“ uns zusammen zucken lässt. Der Reifen! Das gibt es doch nicht. Auf dem Weg hier hin haben wir ihn in der Stadt Maun flicken lassen. Das ist keine 80km her. Es hilft alles nichts. Das abendliche Workout wird inform von Schrauben drehen, Reifen aufstellen, Reifen ziehen und Truck aufbocken ausgeführt. Mittlerweile sind wir ja schon ziemlich geübt, wir werden immer schneller und zum Glück kurz vor dem Sonnenuntergang fertig. Ein hiesiger Bewohner kommt nämlich mit seinem Jeep neben uns gefahren und weist uns freundlich daraufhin, dass wir uns mitten im Löwengebiet aufhalten und dass es ratsam wäre, sich nun doch ins Innere des Trucks zu begeben. Gesagt getan.
Am nächsten Morgen müssen wir unsere geplante Fahrtrichtung gen Nordwesten ändern und zurück nach Maun rumpeln. Die Piste ist alles andere als bandscheibenfreundlich. Auf fiesestem Wellblech kriechen wir die 80km zurück und steuern die uns nun schon bekannte Reifen-Werkstatt an. Als wenn wir es nicht schon hundertmal getan hätten, kriechen wir nun nochmal beide in den Reifen rein, leuchten alles mit unserer Taschenlampe aus, fühlen mit geschärftem Tastsinn die Innenseite ab, begutachten mit Argusaugen die äußere Beschaffenheit und können, mal wieder, nichts finden. Angeblich wäre der Schlauch zu klein gewesen. Nun gut, wir kaufen einen neuen, angeblich passenden. Später, wenn dieser auch seinen Geist aufgeben wird, werden wir erfahren, dass dieser angeblich zu groß gewesen sei. Nachher dazu mehr.
Der Tag war für die Hose. Wir beenden unseren Fahr- und Reparaturtag am gleichen Fleck, wo wir heute Morgen gestartet sind. Und, man kann es schon erraten, es passiert auch genau das gleiche wie gestern Abend: „Tschschsch!“ „Och nee!“ „Scheiße!“ – kapitulierender Seufzer, Quietschen, Scheppern, Rumpeln, Stöhnen, Tropfen von Schweiß und das erlösende klirren zweier Bierflaschen! Nach getaner Arbeit entscheiden wir uns dem Kobold, der anscheinend in unserem Reifen haust, zu trotzen und morgen die schlechte, dornige, matschige und alles andere als harmlose Piste eben ohne intaktes Ersatzrad in Angriff zu nehmen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
Da wir uns inmitten von wilden Tieren befinden, beschließe ich den nächsten Morgen nicht laufen zu gehen, sondern ein Cardio-Training vor dem Truck durchzuführen. Ich muss mich echt konzentrieren vor Staunen nicht innezuhalten, denn direkt vor meiner Nase begibt sich gerade eine Elefantenherde mit Nachwuchs zur morgendlichen Dusche im Wasserloch. Ich fühle mich wie vor einer großen Leinwand. Rechts im Bild tauchen nun noch drei Giraffen auf, dort hinten gähnt ein Hippo träge im Wasser, ein Rudel Schakale läuft über den Bildschirm, sechs Büffel mimen die Statisten und aus dem Off kommt eine Rotte Warzenschweine angepirscht.
Voller Vorfreude, die Sorge mit dem Reifen verdrängen wir einfach, versuchen wir den Weg zum Khwai River zu finden. Nicht ganz einfach, doch dank iOverlander („Start of Kwai River game drive“) finden wir den Einstieg des Game Drives. Über eine Sandpiste, entlang der Grenze zum Chobe Nationalpark gelangen wir zum Fluss und uns wird eine wunderschöne Savannen-Landschaft offenbart. Immer entlang des Wassers bewegen wir uns Richtung Westen vorwärts. Schleichfahrt ist angesagt! Wir sind völlig fasziniert. Wohin man auch guckt: Tiere, Tiere, Tiere. Giraffen, Krokodile, verschiedenste Vögel, Wasserböcke, Zebras, Hippos, Erdmännchen, Tiere deren Namen und Gattung nicht in unserem Fauna-Wissen aufgeführt sind und unsere Lieblingstiere Elefanten laufen uns vor die Linse. Es gibt keinen Ort, wo sich keine Tiere befinden. Sowas haben wir noch nie erlebt und wir ahnen schon, dass diese Erfahrung einzigartig bleiben wird.
Nach etwa 20km führt die Piste durch den Fluss, der noch ganz gut Wasser führt und dessen Grund vor allem sehr sandig ist. Wir finden uns schon kühn genug, dass wir die Safari ohne Ersatzschuh für Otto gestartet sind, wollen unser bis dato widerfahrenes Glück nicht zu sehr herausfordern und entscheiden uns kurzerhand, ein paar Kilometer zurück zu fahren und an einer schönen freien Fläche den Tag ausklingen zu lassen. Immer wieder bekommen wir Gesellschaft von meist vierbeinigen Parkbewohnern und zweibeinigen Parkbesuchern. Während letztere nur zum Sundowner halten und vor Einbruch der Dunkelheit im Safari-Jeep wieder zu ihrem Hotel zurückgeschaukelt werden müssen, können wir, unser „Hotel“ immer dabei, einfach hierbleiben. Zugegeben, der Gedanke am schönsten Platz auch übernachten zu können, während andere für viel Geld in teuren Luxuscamps fernab vom wildlife nächtigen, bereitet einem schon ein klitzekleines bisschen Freude.
Doch die Freude war nicht von langer Dauer. Nach dem Abendessen klettern wir noch einmal aufs Dach und machen es uns mit Taschenlampe und Nachtsicht gerät gemütlich. Überall raschelt es in den Büschen und da vorne huscht ein Schatten direkt auf uns zu. Er kommt näher und an der geduckten Haltung erkennen wir, dass es sich um eine Hyäne handeln muss. Tatsächlich kommt sie bis zu unserem Truck gelaufen und bleibt direkt vor uns stehen. Genau in diesem Moment schaltet Alex die Taschenlampe an und zwei blitzende Augen strahlen uns an. Von unseren herabhängenden Fußspitzen bis zu ihrer Nasenspitze sind es keine drei Meter. Alle drei halten die Luft an, keiner traut sich, die Starre zu lösen. Doch nach einer gefühlten Ewigkeit macht die Hyäne kehrt und schlägt den Rückweg ein. Wir sind noch ganz geflasht, entschließen uns aber, nun ins sichere Bettchen zu kriechen.
Gut genährt von den vielen schönen Eindrücken des Tages fallen uns die Augen zu und wir landen in einem Traumland von wilden Tieren, Savannenlandschaft, plätscherndem Wasser… Doch was war das? Ein Klopfen? „Hello, hello!“ Da ist jemand. Vorbei ist es mit der Müdigkeit und wir sind wieder hellwach. Vorsichtig öffnen wir die Tür. Vor dem Truck steht ein Mann, dahinter ein Auto, in dem noch eine Frau drin sitzt. Sie seien Ranger vom Park und wir dürfen hier nicht campen. Es gäbe ein Camp in der Nähe, wo wir übernachten dürften. Die Kosten belaufen sich auf circa 50€ pro Person pro Nacht. „Don’t drive in the night“ ist das oberste Gebot in Afrika und wir geben klar zu verstehen, dass wir uns für diese Nacht, es ist bereits 22:30 Uhr, hier nicht wegbewegen werden. Es folgt eine lange Diskussion, die mit der Vereinbarung endet, dass wir die Campgebühr zahlen, aber hier stehen bleiben dürfen. Glück im Unglück.
Fährt man in den angeblichen Park hinein, passiert man kein Gate. Wir waren uns überhaupt nicht bewusst, dass wir uns auf einem Parkgelände befinden. Tatsächlich gibt es bei der einen Zufahrt ein kleines grünes Schild, das wir schlichtweg übersehen haben. Ehrlich gesagt war das auch kein Hexenwerk, denn das Gras steht hoch, die Büsche sind im vollen Saft und momentan ist hier alles grün in Hülle und Fülle. Selbstverständlich haben wir uns bei den Rangern entschuldigt und uns bedankt, dass sie so kulant zu uns waren, jedoch haben wir ihnen auch nahegelegt, dass sie ihre Gebühren und Konditionen doch bitte sichtbar anschreiben und nicht gerade in der Nacht die Parkmiete einkassieren sollten. Diese Reise ist und bleibt ein Abenteuer.
Am nächsten Morgen genießen wir noch eine herrliche Rückfahrt durch den Tag, um uns dann wieder Richtung Süden fortzubewegen. Die Route steht fest. Über Maun und Ghanzi wollen wir nach Gobabis und somit zurück nach Namibia fahren. Uns ist klar, die nächsten Tage heißt es Kilometer machen. Fahren, fahren, fahren. Doch da war ja noch was! Unser Reifen. Also bevor es losgehen kann, müssen wir nochmal einen Stopp bei unserem mittlerweile altbekannten Reifenfritzen in Maun einlegen. Wir sind etwas genervt, dass wir nun schon wieder bei ihm antanzen müssen und lassen ihn das auch spüren. Wie kann es denn sein, dass man zweimal den Reifen wechselt, die Reifen kontrolliert und zweimal einen neuen Schlauch einzieht und das Ding schon wieder kaputt ist. Der Mechaniker lächelt, wiederholt zum x-ten Mal „no problem“ und sagt aus tiefster Überzeugung heraus, dass der Schlauch, der drinsteckte, zu groß sei. Ja meine Herren, dann nehmt doch bitte einen passenden Schlauch. Den hat die Werkstatt aber nicht vorrätig und anstatt das zu kommunizieren, nimmt man dann eben einen, der nicht passt. TIA – This is Africa. Zum Glück haben wir noch einen in Reserve dabei und lassen nun diesen einziehen. Hoffentlich war es das dann auch.
Mit vollgepumpten Reifen machen wir uns nun auf den Weg Richtung Südwesten. Die Landschaft wird immer karger, die Straßen immer gerader und die Luft immer heißer. So vergehen zwei komplette Fahrtage. Der dritte Tag, heute sollten wir die Grenze zu Namibia erreichen, scheint auch nicht deutlich verheißungsvoller zu werden. Wir schalten innerlich in den Automatikmodus und fahren so vor uns dahin, bis uns ein mintgrünes Etwas mit viel Licht und, ja tatsächlich, einem deutschen Kennzeichen entgegen kommt. Es ist der kurze Moment, wo wir uns in die Augen schauen und schon ist der Unimog an uns vorbeigedüst. Beide Bremspedale werden gedrückt und im Rückspiegel können wir erkennen, wie das andere Expeditionsmobil zum stehen kommt. Rückwärtsgang eingelegt, auf dieser Straße ist sowieso nichts los, nähern wir uns unseren Landsmännern. Anne und Harald, unterwegs mit ihrem „unimogi“, bereisten die Ostküste von Nord nach Süd und machen nun einen kleinen Abstecher, so wie wir, in den Norden Botswanas. Da wir die Region nun schon hinter uns haben, fahren wir praktisch in die genau entgegengesetzte Richtung wie die drei. Doch schon durch die LKW-Fenster merken wir, dass jede Menge Plauder-Stoff vorhanden ist und so entschließen wir uns, ein kleines Plätzchen im Schatten einzunehmen und noch ein bisschen weiter zu quatschen. Das praktische bei den Overlandern ist ja, dass man immer alles dabei hat und so schnappt sich jeder einen Stuhl und wir machen es uns gemütlich. Man könnte meinen, es sei Liebe auf den ersten Blick – Expeditionsliebe. Wir lachen, reden, staunen, empören, begeistern uns ganze vier Stunden miteinander, bis wir uns endlich wieder voneinander losreißen können. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass uns das Schicksal nochmal zu einem ganz besonderen Zeitpunkt zusammen führen wird. Das ist aber ein anderes Kapitel.
Als wir unsere Stühle wieder verstauen wollen, stellen wir fest, dass unsere Sportmatten nicht mehr da sind. Wir schauen herum, doch weit und breit ist nichts zu sehen. Keine Menschen, keine Hütten, nur Geröll und Gestrüpp. Tja, einmal nicht aufgepasst.
Um zwei Sportmatten ärmer, jedoch um zwei Freundschaften reicher, setzen wir unseren Weg fort. Die Grenze schaffen wir heute zwar nicht mehr, doch dafür kommen wir in den folgenden Tagen auf sehr guten Asphaltstraßen flott voran und erreichen recht schnell das südliche Namibia.